Montag, 24. August 2009

Georgette Heyer: The Grand Sophy

Ich bin selber schuld. Im letzten Posting zu Johannes Mario Simmel hatte ich geschrieben, das Cover sehe aus wie das zu einem Georgette-Heyer-Roman. Zur Strafe habe ich nun einen ebensolchen an mich genommen. Das Cover sieht freilich völlig anders aus. Meine Vorstellung von Georgette-Heyer-Titelbildern war grundfalsch. Das hier ist gemalt, man sieht eine brünette Frau im Hermelin. Ein Muff für die Hände, ein Muff auf dem Kopf (nein, das ist ein Hut). Im Hintergrund ein Mann, der einen Rappen mit Blesse am Halfter hält. Darüber ist ein hässlicher lilaner Himmel zu sehen. Das Buch heißt "The Grand Sophy" und ist eine "Regency Love Story" in "Large-Type Edition". Also etwas für ältere Semester. 1950 erstmals erschienen.

Auch von Georgette Heyer hatte ich nie zuvor etwas gelesen. Sie schrieb neben Romanzen wie diesen auch Krimis. Sie war offenkundig in die Zeit um 1800 vernarrt, mit einigem Spielraum um diese Marke nach vorne und hinten. Ebenfalls vernarrt war sie, das merkt man gleich, in Jane Austen. Deren Romane zu imitieren: dahin geht all ihr Sinnen. Sie tut darum in ihren eigenen Sätzen und ihren Dialogen geistreich, aber geistreich auf sehr aufgeplusterte Art. Man sieht ihre Figuren immer übertriebene Gesten vollführen. Sie sind affektiert prüde, affektiert sittenstreng, sie führen, was sie sein sollen, immer gleich vor.

Der erste Satz ist ganz und gar typisch. Klingt beim flüchtigen Hinhören Regency-echt, ist aber, wenn man dagegenklopft, merklich aus Gips: "The butler, recognizing her ladyship's only surviving brother at a glance, as he afterward informed his less percipient subordinates, favored Sir Horace with a low bow, and took it upon himself to say that my lady, although not at home to less nearly connected persons, would be happy to see him." Irgendwie seh ich da Hans-Joachim Kulenkampffs Faux-Butler Martin Jente vor mir, der dem Meister mit freundlicher Umständlichkeit Mantel, Schirm, Schal und Hut reicht.

Die Geschichte, die sich auf den ersten 65 Seiten, die ich das durchgehalten habe, anbahnt, ist diese: Eine burschikose junge Frau namens Sophy wird von ihrem Vater bei ihrer Tante zurückgelassen. (Er begibt sich in ein Weitweg mit dem Namen Brasilien.) Bevor die ungestüme Frau mit ihrem Affen aber auftaucht, wird erstmal das langweilige Nest erzählerisch bereitet, in das sie dann Unruhe und Aufregung und wohl das, was man Leben nennt, bringt. Ein steifer Cousin dräut, wie der Mann auf dem Titel mit Pferd, im Hintergrund. Er bekommt dann wohl von der Sophy Schläge auf das Brett vor seinem Kopf.

Nun ist Jane Austen ja sehr subtil. Georgette Heyer ist es nicht. Und es gibt eins, das selbst an Austens famosen Romanen heute etwas schwer erträglich ist: Geheiratet werden muss. Was bei Austen Abbild einer Gesellschaft war, in der Unverheiratete wie Jane Austen heikle Heiratsfantasien ersannen, ist hier zum Genre (Romance) runtergekommen. Und darin exemplarisch gerade, weil es, im eigenen Rahmen, sehr gekonnt gemacht ist: Was als Darstellung bei Austen seine Wurzel in genauer Gesellschaftsbeobachtung hatte, ist nur mehr leere, mit nichts in seiner Zeit mehr verbundene Form. Gipsfiguren werden vor den Augen der Leserschaft über die Bühne einer Ausstattungsoper geschoben. Gefühle werden erwartet, von mir aber ganz sicher nicht gehabt.

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